Constellations of One and Many, Installation view, photo Ivo Corrà, 2014
Ausstellungen

CONSTELLATIONS OF ONE AND MANY

24.1.2014—22.3.2014

Falke Pisano in Zusammenarbeit mit Archive Books

24.01. – The man of the crowd
14.02. – Here to there, there to here
07.03. – Flesh made numbers made flesh again

Kuratiert von Emanuele Guidi

Nach der Eröffnungsserie Prologue Part One und Part Two zeigt ar/ge kunst Galerie Museum italienweit die erste Einzelausstellung der Künstlerin Falke Pisano in Zusammenarbeit mit Paolo Caffoni, einem Mitglied des Verlagskollektivs Archive Books. Falke Pisanos künstlerisches Interesse ist auf Verhältnisse gegensätzlicher und komplementärer Pole ausgerichtet wie etwa Sprache und Körper. In zwei Werkzyklen hat sich die Künstlerin mit der Disjunktion, Reproduzierbarkeit und Rekonstruktion einerseits des Sprechaktes (Figure of Speech, 2006-2010) andererseits dessen körperlicher Dimension (Body in Crisis, seit 2011) auseinander gesetzt. Seit 2009 richtet Archive Books sein verlegerisches Interesse auf die Begriffe des „Sichtbaren“ und des kinematischen Bildes aus. In seiner soziopolitischen Dimension entspricht dieses Interesse einer Reflexion über die Bedeutung und über die Praxis des Ausstellens und öffentlich Machens (des Publizierens), im Bewusstsein, dass es sich dabei um die Inszenierung und Transformation von Produktionsprozessen handelt. In einer Zusammenarbeit der Künstlerin mit dem Verleger wurde für ar/ge kunst das Projekt Constellation of One and Many entwickelt, eine gemeinsame Untersuchung über die Verhältnisse von Emotion und Macht zwischen Individuum und Gesellschaft, ausgehend von Quellen und Fallstudien aus Literatur, Philosophie und Soziologie. Diese Untersuchung fand ihren direkten Niederschlag in dem von Pisano und Archive Books für die Ausstellung konzipierten strukturellen Displays, ein spezifisches Ausstellungsformat mit eigenen räumlichen und zeitlichen Koordinaten. Aufgabe dieses Displays ist es an und für sich disparate Elemente in einem gemeinsamen Kontext zu präsentieren und kann ebenso als Diagramm angesehen werden, das die Beziehungen zwischen Subjekt und Gesellschaft, Objekt und Architektur offen und flexibel zu halten imstande ist. Eine Öffnung, die sich in der zeitlichen Organisation des Displays „widerspiegelt“: Der Ausstellungszeitraum ist in drei Abschnitte gegliedert, innerhalb derer sowohl die Inhalte als auch das Publikum entlang dreier verschiedener, in sich dezidiert „unvollständiger“ Konfigurationen geleitet (oder choreografiert) werden. Die erste Konfiguration mit dem Titel The Man oft the Crowd ist eine direkte Bezugnahme auf die gleichnamige Erzählung des amerikanischen Schriftstellers Edgar Allan Poe aus dem Jahr 1840. In der Erzählung verweist die Beschreibung des Blickkontakts zwischen den beiden Protagonisten paradigmatisch auf die Menschenmassen, wie sie sich in jenen Jahren mit der Erschaffung weitläufiger großstädtischer Räume und ihren neuen sozialen, produktiven und perzeptiven Beziehungsmustern herausbilden. Vor diesem Hintergrund wird im ersten Ausstellungs-Display ein hypothetischer individueller Standpunkt bewusst innerhalb der Menschenmasse angenommen. Eine Untersuchungsmethode, die es erlaubt, die emotionale Zuneigung der Individuen aufgrund ihres physischen Kontakts zu ermitteln, je nachdem wie sich das Bewusstsein der eigenen Subjektivität zu dessen Negation durch den Verlust von Identität in der Gruppe verhält.

In der zweiten Konfiguration Here to There, There to Here [mit Beginn am 14. Februar) verschiebt sich der Standpunkt, um von außen das Bild der Masse zu betrachten. Ausgelöst durch die Revolutionen des so genannten arabischen Frühlings und der Occupy-Bewegungen erleben wir, wie die Produktion von Bildern, die die Darstellung der Masse zum Inhalt haben, in den letzten Jahren, wie bereits in den sechziger und siebziger Jahren, vermehrt zunimmt. In diesem Zusammenhang stellen Pisano und Archive Books eine Reihe von Fragen: Wie wirkt sich die Mediatisierung der Subjektivität auf die Verhältnisse von Nähe und Distanz aus? Welcher Art ist die Aufmerksamkeit für das Bild der Masse? Und welche Rolle spielt dieses Bild innerhalb der anerkannten Rhetorik bezüglich der Vorstellungen von sozialer Veränderung?

Die dritte Konfiguration Flesh made numbers made flesh again [ab 7. März] betrachtet die Masse als Öffentlichkeit und untersucht ihren Grad an Subjektivität und ihre ökonomische Relevanz im Rahmen post-fordistischer Produktionsweisen. In diesem Zusammenhang ist jede Ausstellung, angefangen bei den großen internationalen Ausstellungsformaten, niemals nur ein Dispositiv der Betrachtung und Darstellung, sondern in erster Linie eine Organisationsform der Produktion und somit des Sozialen. Mit freundlicher Unterstützung von: Autonome Provinz Bozen, Südtirol, Deutsche Kultur Stadt Bozen, Amt für Kultur Stiftung Südtiroler Sparkasse Mondriaan Stichting, Amsterdam Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart