Ausstellungen

CULTURA PERSA E IMPARATA A MEMORIA
(Verlorene und dem Gedächtnis eingeprägte Kultur)
ADJI DIEYE

26.2.2022—30.4.2022

Eröffnung: 25. Februar 2022, 19 Uhr

Kuratiert von Emanuele Guidi

In ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung in Italien präsentiert die Künstlerin Adji Dieye drei neue Arbeiten, die das 2020 begonnene Projekt Culture Lost and Learned by Heart (Verlorene und dem Gedächtnis eingeprägte Kultur) erweitern.
Ausgehend von Recherchen in dem 1913 vom damaligen französischen Kolonialregime gegründeten Nationalen Ikonografischen Archiv des Senegal unternimmt Adji Dieye eine persönliche Untersuchung der Rolle, die diese Einrichtungen auch nach Erlangung der Unabhängigkeit bis heute in dem Land spielen.
Eine solche Form der Auseinandersetzung ist zwangsläufig an die noch erhaltenen Archivbestände und ihren Konservierungszustand gebunden, und so nähert sich Adji Dieye ihnen im Bewusstsein um taxonomische Prozesse und Formen der Aussortierung, denen sie möglicherweise unterworfen wurden. Gleichzeitig zielt die „Komplizenschaft“, die Adji Dieye mit ihnen eingeht, weniger darauf ab, „alternative“ Geschichten aufzudecken oder umzuschreiben – ein Paradigma, das die Künstlerin ablehnt –, als vielmehr auf die Frage, „wie ein inzwischen unabhängiges Land heute noch dieselben imperialistischen Technologien zur Darstellung seines kulturellen Erbes anwenden kann, die einst zur Ausübung der Hegemonie über das eigene Volk gedient hatten“.

In den drei Werken A Long Term, Friendship und Untitled Black führt Adji Dieye ihre editorische Arbeit fort und setzt ausgewählte Fotografien aus den Beständen des Nationalarchivs in Beziehung zu einer Dokumentation des gegenwärtigen, von der chinesischen Wirtschaft unterstützten infrastrukturellen Ausbaus des Landes, den die Künstlerin fortlaufend katalogisiert. Die „Linearität“ von Geschichte wird aufgebrochen durch eine Nebeneinanderstellung vergangener und gegenwärtiger Gesten, Zeremonien und architektonischer Räume. Sie lassen sichtbar werden, wie eine bestimmte Rhetorik das Archiv und die Herausbildung einer nationalen Identität konstituiert.

In der Skulptur Untitled Black vermittelt sich wohl am deutlichsten Adji Dieyes Anliegen, über eine Intervention in diese Erzählungen zu einem eigenen Blickwinkel zu finden. Die Bildmotive wurden auf ein 30 Meter langes Seidenband gedruckt und in ein Gerüst eingezogen, das in der Binnenform an eine Druckerpresse erinnert und in den Außenkonturen an die Skyline von Dakar. Materialien und Bewegungen dieser Skulptur verbinden zudem Infrastrukturen und die ihnen zufallende Mitverantwortung: Die Rolle der Medien bei der Begründung von Identität, die modernistische Architektur in dem in Wandlung begriffenen urbanen Raum, wirtschaftliche und politische Versprechen der neuen Seidenstraße, der Belt and Road Initiative – all dies verkreuzt sich hier aufs Neue mit dem Nationalarchiv und lässt das Konglomerat von Kräften hervortreten, die bei der Gestaltung des postkolonialen Raums des Senegal am Werke sind.

Adji Dieyes Geste, die Bildmotive von Hand als Serigrafie nachzudrucken, ist eine Form der offenen Praxis des Wunsches – und des Rechtes –, sich dieser ikonografischen Materialien zu bedienen, sie kennenzulernen, sie sich anzueignen und sie auf der Suche nach einer eigenen Erzählung zu falten, die die Künstlerin zwar öffentlich macht, dennoch aber bewusst intim und opak hält.

Adji Dieye ist eine 1991 geborene italienische Künstlerin. Sie lebt und arbeitet zwischen Zürich, Mailand und Dakar. Dieye erwarb einen B. A. in Neuen Kunsttechnologien an der Accademia di Belle Arti di Brera in Mailand sowie einen M. F. A. an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Seit 2018 hat sie international ausgestellt: auf dem Lagos Photo Festival, bei den Rencontres de Bamako – Biennale africaine de la photographie, in der Kunsthalle Wien und im Clark House Mumbai. Dieye erhielt 2021 den C/O Berlin Talent Award und wird 2022 an der Dak’art-Biennale sowie den Rencontres de Bamako teilnehmen.

Mit der freundlichen Unterstützung von:
Autonome Provinz Bozen, Abteilung Kultur
Stadtgemeinde Bozen, Abteilung Kultur
Stiftung Südtiroler Sparkasse