Ausstellungen

Many Maids Make Much Noise Olivia Plender

5.12.2015—13.2.2016

Vernissage
Mit Philipp Achammer (Landesrat)
4. Dezember, 19 Uhr

Many men make money
Merry maidens dance in May
Mining means moving mounds
Militant miners means more money
Many maids make much noise

Mit der ersten italienischen Einzelausstellung der britischen Künstlerin Olivia Plender (1977) komplettiert ar/ge kunst sein Programm 2015, das der Reflexion seiner dreißigjährigen Aktivität als Kunstverein von Bolzano/Bozen sowie der Bedeutung des eigenen Namens (ar/ge als Arbeitsgemeinschaft) gewidmet ist.

Olivia Plender interessiert sich in ihrer Praxis für die Stimme als Material und Analysewerkzeug der Weisen, in denen Autorität und Machtbeziehungen entstehen und sich verfestigen können. Sie fragt vor allem nach der Bedeutung des Akts der öffentlichen Rede selbst, – wer genau sich legitimiert sieht, sie zu ergreifen und wer nicht, und wie sich diese Frage auf die Konstruktion und Narration von Geschichte auswirkt.

In Many Maids Make Much Noise setzt Plender ihre jüngeren Untersuchungen zur Geschichte der „Women’s Social and Political Union“ (WSPU), dem militanten Flügel der britischen Sufragettenbewegung fort, der im frühen 20. Jahrhundert für das Frauenwahlrecht kämpfte, – wobei sie Aspekte hervortreten lässt, die in der offiziellen Geschichtsschreibung als nebensächlich betrachtet werden, für die Genealogie des Kampfs für Bürgerrechte aber von zentraler Bedeutung sind.

Genauer, die Ausstellung bei ar/ge kunst kreist thematisch um Urania, einem 1915 von Sufragetten gegründeten Magazin, das bis 1940 fortbestehen sollte. Es war die erste britische Publikation mit einem kulturellen und politischen Diskurs zu Geschlechterfragen und den Forderungen von lesbischen und Schwulen Individuen und Gruppen. Die Namensgebung Urania bezieht sich auf eine bestimmte Idee von Utopia als dem Ort, wo Kategorien des ‘Männlichen’ und ‘Weiblichen’ nicht mehr existieren. Anfang des 20. Jahrhunderts bezeichneten sich Personen, die sozialen und sexuellen Normen nicht genau entsprachen, insofern sie auf Vorstellungen von ‘männlichem’ und ‘weiblichem’ Verhalten beruhten, häufig als Uranier/Urninge. Entsprechend war Urania eine Art Katalog von ‘gender troubles’ und feministischen Kämpfen; eine Sammlung von Artikeln, ausgeschnitten aus Zeitungen aus aller Welt und mit minimalem editorischen und analytischen Kommentar wiederveröffentlicht, die privat in einem weiten Netzwerk von Freunden und Unterstützer_innen verteilt wurden. Die Kommentare waren häufig unsigniert oder wurden unter einem kollektiv von mehreren Autor_innen zugleich genutzten Pseudonym veröffentlicht, was die Urania zu einer ‘Institution’ machte, die sich vermittels der Stimme einer genuin kollektiven Subjektivität konstituierte.

In einer Reihe von Postern, Spruchbändern sowie einer Soundarbeit, in der ihre eigene Stimme zum Einsatz kommt, re-editiert Olivia Plender Fragmente, Artikel, Statements und den Index von Urania (Star Dust Index), um einen textuellen Raum zu schaffen, der das Publikum zu einer ‘öffentlichen’ Lesung einlädt. Der Titel der Ausstellung entstammt einer Reihe von Stimmübungen, die die Künstlerin zur Wiederherstellung ihrer Stimme eingeübt hat und die in der Soundarbeit, in der sie diese mit einem Stimmtrainer probt, einmal mehr auftauchen. Plender war ursprünglich auf die Übungen gestoßen, als sie ihre Sprachfähigkeit nach einer Krankheit im Jahr 2013 verloren hatte, und wiederholte sie täglich im Laufe ihrer einjährigen Rehabilitation. In dieser Zeit begann sie über den anonymen Autor der Wörter und Phrasen zu spekulieren: ein Pflegemitarbeiter des behandelnden Krankenhauses, dessen Botschaften heimlich durch die Körper derjenigen verbreitet wurden, die da eine Stimme wiederzufinden versuchten. Verborgen zwischen den absurdesten ‘Nonsens’-Klängen gibt es Übungen, die sich auf jüngste Geschichte zu beziehen scheinen, wie etwa den Streik britischer Bergarbeiter in den 1980er Jahren, und Militanz ebenso wie den Akt des Sprechens selbst thematisieren – was es bedeutet, kollektiv ‘Krach zu machen’, um in der Öffentlichkeit Gehör zu finden.

In der Ausstellung durchdenkt Plender die Beziehung zwischen Ideologie und Institutionen ebenso wie die Weisen, in denen diese den Körper beeinflussen als dem Ort, wo Persönliches und Politisches koexistieren. In dieser polyphonen Ausstellungen, in der viele Stimmen hörbar werden, bleibt Olivia Plender der edukativen, formativen und emanzipativen Dimension der Handlungen jener ‘vielen Jungfrauen’ verpflichtet, die zusammenfanden, um ‘viel Lärm’ zu machen.