Ausstellungen

Making Room – Spaces of Anticipation

14.6.2015—2.8.2014

Brave New Alps & Paolo Plotegher,
Janette Laverrière in Zusammenarbeit mit
Nairy Baghramian, Alex Martinis Roe,
Marinella Senatore in Zusammenarbeit mit Assemble,
Mierle Laderman Ukeles

Eröffunung: 13 Juni 2014 um 19 Uhr

Kuratiert von Emanuele Guidi und Lorenzo Sandoval

Die Ausstellung Making Room erforscht Ideen von Raum im Spannungsfeld raumgenerierender künstlerischer, kultureller und kuratorischer Praktiken.
Das Projekt versammelt Arbeiten und Gemeinschaftswerke von Künstler_innen, Architekt_innen und Designer_innen verschiedener Generationen und geographischer Kontexte, die den Wechselwirkungen zwischen Formen sozialer Praxis und den Umfeldern, die sie aufnehmen, Ausdruck verleihen.

In den gezeigten Arbeiten scheint die Aktion, mit der räumliche Konfigurationen und Setting erzeugt werden, mit dem Bedürfnis einherzugehen, Erfahrungen der Vergangenheit mit aktuellen zu verknüpfen: Ein In-Beziehung-Setzen, das sich in Kollaborationen, Erzählungen oder schlicht darin realisiert, dass Fragen gestellt werden. Eine Wohnsituation, ein Salon oder eine Schule, eine Display-Anordnung, eine kulturelle Vereinigung oder eine Kunstinstitution stellen weiterhin Modelle dar, um Begegnungen und Formen gemeinschaftlicher Nutzung zu ermöglichen. Da es neu darüber nachzudenken gilt, wie diese Orte gestaltet, erfahren und (gemeinschaftlich) erhalten werden können, wird im Rahmen von Making Room der Begriff der „Care“ produktiv gemacht (zu deutsch Pflege, Aufmerksamkeit, Sorge, Obhut, Betreuung).

Die Handlung des Raum-Schaffens (‘making room’) wird in diesem Sinne zu einer Geste der Gastfreundschaft gegenüber anderen, transformatorischen Praktiken und Wissensformen. Gleichzeitig behauptet sich hierin eine Weise, Allianzen ebenso wie Konflikten “Raum zu geben” und “Zeit zu widmen” – mögen diese nun zwischen Partner_innen, Arbeitskolleg_innen oder Publikumsteilnehmer_innen herrschen.

Vor diesem Hintergrund entfaltet das Manifesto for Maintenance Art 1969! der amerikanischen Künstlerin Mierle Laderman Ukeles (*1939 in Denver, Colorado) ein komplexes Gefüge von Beziehungen, welche das Leben einer Künstlerin (als Frau und Mutter) sowohl in ihrer Privatsphäre (im Haus) wie auch im öffentlichen Raum (Ausstellungsraum, Kunstinstitution) regulieren. In Proposal for an exhibition ‚Care’ geht es somit um das Sichtbarmachen jener unsichtbaren Aktivitäten und Zeitabläufe, die es erlauben, einen „Ort“ überhaupt als solchen zu unterhalten und zu versorgen. Der Maintenance Art Questionaire (1973 – 1976), den Ukeles in den darauffolgenden Jahren formulierte, ist als Geste der Affirmation zu verstehen, diese Beschäftigungen, Reflexionen und Verantwortung mehr und mehr mit dem Publikum zu teilen.

Eine ähnliche Konzeption von Sorge findet sich in A story from Circolo della Rosa von Alex Martinis Roe (*1982 in Australien, lebt und arbeitet in Berlin). Der Film, Teil von Roes Arbeit zu feministischen Genealogien, erzählt von der Begegnung zweier Frauen – beides aktive Mitglieder des Milan Women’s Bookstore Collective – und von ihrer Beschäftigung mit den pädagogischen Experimenten des Feminismus der späten 1980er Jahre. Ausgeführt in Form eines fiktionalen Briefs der Künstlerin, umschreibt die Geschichte den reziproken Charakter ihrer auf affidamento (Sich-Anvertrauen) gründenden Beziehung – eine sozio-symbolische Praxis, wie sie vom Milan Women’s Bookstore Collective praktiziert und theoretisiert wird.

Alex Martinis Roe, ‚A Story from Circolo della Rosa‘, 2014 from ar/ge Kunst on Vimeo.

Die Notwendigkeit, andersartigen Narrativen Raum zu geben und sie fortzuschreiben, steht auch im Zentrum der Zusammenarbeit der französischen, ursprünglich aus der Schweiz stammenden Designerin Janette Laverrière (1909-2011) mit dem Künstler Nairy Baghramian (*1971 in Iran, lebt und arbeitet in Berlin), die nach einer Begegnung im Jahr 2008 begann. Laverriéres Zeichnungen, Möbel und Objekte werden im Rahmen einer von Baghramian entwickelten Ausstellungsanordnung gezeigt, die ein System von Vitrinen für Entwürfe sowie mit grüner Wasserfarbe bemalte Wände umfaßt, – letzteres als Referenz auf Laverriéres privates Wohnzimmer. Aus diesem Augenmerk auf die Präsentation entwickelte sich nicht nur eine generationenübergreifende Freundschaft der beiden Frauen („Schwestern im Geiste“, nach Definition Laverriéres); zugleich konnte so das Ineinander von Laverriéres beruflichem, privaten und politischem Leben herausgearbeitet werden. Laverriére war, neben ihrer Arbeit als Designerin, tatsächlich auch unter den Gründer_innen der Gewerkschaften National Front for Decorators und Decorators Trade Union (beide 1944), während sie später in ihrer Karriere „unbrauchbare“ Objekte entwarf, in denen das Bedürfnis, eine Geschichte zu erzählen, jede mögliche Funktion überwog. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Spiegel-Arbeit La Commune, hommage à Louise Michel (2001), Teil der Serie Evocations, welche die französische Anarchistin Louis Michel ins Gedächtnis ruft, inklusive des Ortes, zu dessen Gründung sie beitrug: die Pariser Commune.

The School of Narrative Dance ist ein 2013 von Marinella Senatore (*1977, lebt und arbeitet in Berlin und London) initiiertes Projekt, das das Modell einer multidiziplinären, nomadischen und kostenfreien Schule entwirft, die den Bildungsprozess durch (verbales und nonverbales) Geschichtenerzählen auf die Emanzipation der Studierenden, auf Inklusion und Selbstkultivierung hin fokussiert. Für Making Room entwirft Senatore im Verbund mit dem Architekturbüro Assemble (London) ein Display, das Dokumente und Skizzenmaterial versammelt. Dargeboten auf einer Art grafischem Arbeitstisch, unterstreichen diese bildlichen und konzeptuellen Referenzen den Übersetzungsprozess, der nötig war, um der School of Narrative Dance aus Anlaß des Premio Maxxi in Rom zum ersten Mal eine wirkliche architektonische und räumliche Gestalt zu geben.

Mit Blick auf solche Praxen schließlich begannen Brave New Alps & Paolo Plotegher einen Rechercheprozess mit und für ar/ge kunst, um die Potentiale von Modellen für die Institutionen der Kunst, etwa Kunstvereine, zu erkunden. Michel Serres Erzählung vom „The Troubadour of Knowledge“ dient hierbei als Ausgangspunkt. Den Besucher_innen werden Fragebögen ausgehändigt, um ihre Erfahrungen als Grundlage für einen am 19. Juli 2014 stattfindenden Workshop zu sammeln und zugänglich zu machen.

Making Room ist ein Teil der Erarbeitungsphase zum Projekt Spaces of Anticipation, eine Zusammenarbeit mit dem EACC – Espai d`art contemporani de Castelló in Castellón de la Plana.

Ein besonderer Dank geht an:
Silberkuppe (Berlin) e Ronald Feldman Gallery (New York)