Silver Rights, Elena Mazzi in dialogue with Mauro Millán, workshop at the Mapuche community of Lago Rosario, 2021. Ph: Alfredo Leiva
Ausstellungen

SILVER RIGHTS

Ein Projekt von Elena Mazzi
Im Dialog mit Mauro Millán und Eduardo Molinari

11.6.2021—31.7.2021

Eröffnung 11.06.2021
15 – 19 Uhr

Kuratiert von Emanuele Guidi

„Im 21. Jahrhundert haben wir uns der Herausforderung gestellt, das Land wiederzuerlangen,
um unser Wissen, unsere Ideologie, Philosophie und
Spiritualität zurückzugewinnen …die Kunst des Silberschmiedens bildet keine Ausnahme.“
Mauro Millán, spiritueller Mapuche-Führer und Silberschmied der Gemeinschaft von Pillan Mahuiza

ar/ge kunst zeigt das Projekt Silver Rights von Elena Mazzi (1984, Reggio Emilia), das im Dialog mit dem spirituellen Mapuche-Führer, Silberschmied und Aktivisten Mauro Millán sowie dem argentinischen Künstler Eduardo Molinari entstand. Ermöglicht wurde es durch die Unterstützung des Italian Council (VII. Ausgabe, 2019).

Die Präsentation bei ar/ge kunst ist die erste Ausstellungsphase des Projektes und geht aus einem Prozess eingehender Recherchen hervor, die die Künstlerin in Patagonien unternommen hat. Einer Region, die seit Jahren im Zentrum von Kämpfen, Forderungen und Landrückgaben an das Mapuche-Volk steht.

Silver Rights behandelt die überlieferte Bindung von Gemeinschaften an das Land (mapu), die durch kolonisierende Kräfte ausgehöhlt und negiert wurde. Diese Kräfte haben sich im Lauf der Jahrhunderte gewandelt und in den letzten Jahrzehnten vermehrt durch unverkennbar neo-extraktivistische Praktiken auf sich aufmerksam gemacht. Die Investitionspolitik südamerikanischer Regierungen und daraus resultierende Handelsabkommen mit ausländischen multinationalen Konzernen, darunter auch mit dem italienischen Unternehmen Benetton, haben zu Prozessen der Ansiedlung geführt.

Konkret reagieren die ausgestellten Werke ebenso wie das Display auf die von dem Museo Leleque dargebotene Narrative: Das Museum mit anthropologischer Ausrichtung wurde 2000 ausgerechnet auf Land im Besitz von Benetton eröffnet. Ein zwiespältiges Unterfangen, tut es doch das Volk der Mapuche als ausgestorben ab – obschon dieses lebendig und auf dem umstrittenen Land aktiv ist – und „musealisiert“ die Erinnerung an es und seine materielle Kultur.

Mit dieser komplexen Situation setzt sich Elena Mazzi auseinander, indem sie in Dialog mit dem engen, seit Jahren von der Mapuche-Gemeinschaft bewusst geknüpften Netzwerk von Beziehungen tritt, es unterstützt und erweitert: als eine Weise, die Kunst der Diplomatie zu verstehen, die zum einen den Aufbau und die Pflege internationaler Beziehungen zwischen verschiedenen politisch-kulturellen Subjekten umfasst und sich zum anderen in ihren Kosmovisionen als eine Form radikaler Vermittlung zwischen Land, Menschen und „mehr als menschlichen“ Wesen äußert.

Den zentralen Kern der Ausstellung bildet eine Reihe von Silberschmuckstücken, die Mauro Millán angefertigt und gemeinsam mit Elena Mazzi entworfen hat. Dem vorausgegangen waren mehrere, mit zahlreichen Mitgliedern der Gemeinschaft abgehaltene Workshops zu neuen Symbologien und aktuellen Kämpfen. „Der retrafe (Silberschmied) hilft, die kollektive mit der individuellen Dimension zu vereinen, mit dem obersten Ziel, das Kollektiv zu nähren“, schreibt Millán in seinem Beitrag zum Begleitbuch des Projekts und fährt fort: „Mapuche-Silberarbeiten sind die Synthese aller kollektiven Bedürfnisse und greifbarer Ausdruck eines langen und beständig geführten Gesprächs zwischen den Ahn*innen und den Lebenden des mapu.“

Im Ausstellungsrundgang ist den Schmuckstücken eine von Elena Mazzi und Eduardo Molinari geschaffene Installation vorangestellt, bestehend aus einer präzisen Nebeneinanderstellung von Zeichnungen und Bildern auf Papier und Stoff sowie einer in vier Episoden unterteilten Audiosequenz. Diese vier Kurzgeschichten wurden gemeinsam (mit Enrica Camporesi) mit einem spekulativen Ansatz geschrieben, der es ermöglicht, dokumentierte Fakten, mündliche Überlieferungen und Träume miteinander zu verweben: die lange Geschichte der Gewalt ausgeübt von historischen Figuren wie General Julio Argentino Roca, führt uns in den aktuellen Kampf gegen Enteignungen und Umsiedlungen ein, der die Folge von Ansprüchen „abenteuerlicher Unternehmern“ wie Carlo Benetton oder Joe Lewis ist. Die Stimmen des „Berges“ sowie die der Wesen und Tiergeister, die zur Kosmologie der Mapuche gehören, bringen die Ungleichheit in der Art und Weise der Besetzung dieser Ländereien und das radikale Unverständnis zum Ausdruck, das bestimmten Entscheidungen wie der Einrichtung des Leleque Museums selbst zugrunde liegt.

Diese „Zurschaustellung“ soll – unterstützt durch die Gestaltung von Alessandro Mason (Studio Gisto) – dezidiert auf die museologische Erzählung des Museo Leleque reagieren. Daher werden die Schmuckstücke in einen Bezugsrahmen von Verweisen und Informationen gestellt, die für ihre öffentliche Präsentation notwendig sind. Dieses Dispositiv stellt eine Form der Fürsorge und der Achtung gegenüber den Artefakten dar, die Träger von überliefertem Wissen und Spiritualität sind, und deckt zugleich den Einfluss internationaler Unternehmen in Patagonien auf: die massive Privatisierung von Landstrichen, die reich an gemeinschaftlich genutzten Rohstoffen und Ressourcen sind, einschließlich des Wassers, die konsequente Vertreibung indigener Gemeinschaften und die fortschreitende Aushöhlung ihrer bürgerlichen, sozialen wie auch politischen Rechte.

Begleitend zu Silver Rights erscheint bei Archive Books, Berlin, eine von Elena Mazzi und Emanuele Guidi herausgegebene Publikation mit Beiträgen der Vereinigung YaBasta! Êdî Bese! sowie von Riccardo Bottazzo, Leandro Martínez Depietri, Emanuele Guidi, Elena Mazzi, Mauro Millán, Eduardo Molinari und Ana Ramos. Gestaltet wird sie von Archive Appendix.

Die Ausstellung Silver Rights wird in der Södertälje Konsthall (20.08 – 02.10.2021), im Italienischen Kulturinstitut in Buenos Aires sowie im Herbst 2021 auf der BIENALSUR zu sehen sein. Zudem wird sie Eingang in die Sammlung des Castello di Rivoli Museo d’Arte Contemporanea in Turin finden.

Das Projekt wird vom Italian Council (VII. Ausgabe, 2019) unterstützt, einem von der Generaldirektion für zeitgenössische Kreativität des Italienischen Kulturministeriums aufgelegten Programm zur weltweiten Förderung italienischer Kunst.

Besonderer Dank gilt den verschiedenen Partnern, die dieses Projekt möglich gemacht haben: den Mapuche-Gemeinschaften von Pillan Mahuiza, Lago Rosario und Cushamen, YaBasta! Êdî Bese!, den Italienischen Kulturinstituten in Buenos Aires und in Stockholm, dem Contemporary Art Archipelago (CAA), der Södertälje Konsthall, dem Castello di Rivoli Museo d’Arte Contemporanea, BIENALSUR sowie dem [N.A!] Project.

Biografie

Elena Mazzi (Reggio Emilia, 1984) absolvierte im Anschluss an ihr Studium an der Università di Siena und der IUAV in Venedig einen Studienaufenthalt an der Königlichen Kunsthochschule (Konsthögskolan) in Stockholm.

Ausgehend von der Untersuchung bestimmter Territorien, deutet sie in ihren Arbeiten das Kultur- und Naturerbe der jeweiligen Orte neu und verknüpft durch lokale Gemeinschaften überlieferte Geschichten, Fakten sowie Fantasien, im Bestreben, mögliche Lösungen für den Konflikt zwischen Mensch, Natur und Kultur vorzuschlagen. Ihre der Anthropologie nahestehende Arbeitsmethodik privilegiert einen ganzheitlichen Ansatz, der darauf abzielt, bestehende Brüche in der Gesellschaft zu beheben, einen von der Beobachtung ausgehenden Ansatz, der fortschreitend verschiedene Wissensformen miteinander verbindet.

Mazzis Werke wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, u. a. in der Whitechapel Gallery in London, im BOZAR in Brüssel, im Museo del Novecento in Florenz, im MAGA in Gallarate, in der GAMeC in Bergamo, im MAMbo in Bologna, im AlbumArte in Rom, im Sonje Art Center in Seoul, im Palazzo Ducale in Urbino, im Palazzo Fortuny in Venedig, in der Fondazione Golinelli in Bologna, im Centro Pecci per l’Arte Contemporanea in Prato, auf der 16. Quadriennale in Rom, in der GAM in Turin, auf der 14. Istanbul Biennale, auf der 17. BJCEM Mediterranean Biennale, im Fittja-Pavillon während der 14. Architekturbiennale in Venedig, beim COP17 in Durban, in den Italienischen Kulturinstituten in New York, Brüssel, Stockholm, Johannesburg und Kapstadt sowie in der Fondazione Bevilacqua La Masa in Venedig.

Sie hat an mehreren Residenzprogrammen inner- und außerhalb Italiens teilgenommen und ist Preisträgerin u. a. des vom Italienischen Außen- und Kulturministerium geförderten Programms Cantica21, des XVII. Premio Ermanno Casoli, des STEP Beyond Award, des OnBoard Award, des VISIO Young Talent Acquisition Prize, des Premio Eneganart, eines Illy-Stipendiums für Unidee, Fondazione Pistoletto, des Programms nctm e l’arte, des Premio Fondazione Sandretto Re Rebaudengo und des Premio Fondazione Lerici.

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