WILLIAM E. JONES
03 September - 31 Oktober 2009
kuratiert von Luigi Fassi
Die Kulturgeschichte der Sexualität, Ideologien der Macht und Strategien der sozialen Kontrolle, das sind die zentralen Thematiken der ersten Einzelausstellung des amerikanischen Künstlers William E. Jones in Europa (*1962, Canton, Ohio, USA; arbeitet und lebt in Los Angeles).
Die Arbeiten von William E. Jones entfalten sich entlang der Sozialgeschichte des Zwanzigsten Jahrhunderts, sie erforschen anhand von Archivmaterialien und visueller Kommunikation Geschehnisse, die in Vergessenheit geraten sind. So werden pornografische Filme der 70er Jahre, Footage-Materialien gerichtlicher Untersuchungen und nicht verwendete Foto-Negative zum Rohmaterial, mit welchem der Künstler seine interpretative Archivarbeit ans Tageslicht bringt – bis hin zu einer erstaunlichen semantischen Erneuerung von Kulturdokumenten, die für gewöhnlich als nicht relevant betrachtet werden.
Tearoom (1962/2007), die zentrale Arbeit der Ausstellung, ist ein Footage, das im Jahre 1962 vom Mansfield Police Department im Bundesstaat Ohio unter Zuhilfenahme versteckter Videokameras gedreht wurde. Der Film ist technisch betrachtet ein vom Künstler in voller Länge gezeigtes objet trouvé, auf welchem rege wechselnde homosexuelle Handlungen zu sehen sind, die sich in den öffentlichen Toiletten einer Kleinstadt im amerikanischen Mittelwesten abspielen. Als bahnbrechendes Experiment der sozialen Kontrolle durch Anwendung von Technologie, zeigt Tearoom die Strategien der Kriminalisierung von Homosexualität im Amerika der 60er Jahre auf und wird so zu einer Reflexion über Repression und Ausübung von Macht seitens der zuständigen Autoritäten. Zugleich stellt es aber auch ein faszinierendes und nostalgisches Portrait der homoerotischen Sexualität dar, wie sie vor dem Bekanntwerden von AIDS stattfand. Nahezu 50 Jahre nach seiner Anfertigung ist der Film Tearoom, dessen eigentliche Aufgabe in einer dokumentarischen Untersuchung bestand, noch immer ein kulturell schwer verständliches Werk – und in der beinahe unerschöpflichen Vielfalt seiner Bedeutungen eine geradezu geheimnisvolle Arbeit.
Weitere Arbeiten der Ausstellung wie Killed (2009) oder die Fotoserie Sailors, Pan, Orpheus (Francis Benjamin Johnston and F. Holland Day) (2008), die beide mit Bildern vom Archiv der Washingtoner Library of Congress realisiert wurden, bezeugen das konstante Interesse des Künstlers für Archivmaterial, welches als kraftvoller, philosophischer Auslöser zur Wiederentdeckung von Geschichten, ideologischen Manipulationen, Ereignissen und möglichen Interpretationen dient.
Die Arbeit von William E. Jones ist somit eine Reise durch die labyrinthischen Dimensionen der zeitgenössischen Geschichte, Ergebnis eines unreinen und zugleich scharfen Blickes, der in der Lage ist, die gewohnten und traditionellen Bilder der Moderne herauszufordern.
Text Luigi Fassi