CON SENS
Elodie Carré, Pascal Sémur, Dominique Petitgand, Peter Senoner, Rudolf Stingel , Franz West, Beat Streuli, Akio Suzuki
Die Ausstellung con-sens soll die zentrale Bedeutung der fünf Sinne für das Erfassen und Erfahren unserer Umwelt betonen. Dies ist nur oberflächlich ein Allgemeinplatz, wenn wir bedenken, dass der westliche Mensch heutzutage gemeinhin eine gewisse Distanz zwischen sich selbst und seinem Körper schafft, die gleichzeitig eine Distanz zwischen ihm und seiner Umwelt und den anderen Menschen bedeutet. Und doch sind wir letztlich nun einmal nicht nur denkende sondern auch fühlende Subjekte, ja, diese beiden Eigenschaften sind untrennbar miteinander verbunden. Weiters gehört es zu den Gegebenheiten dieser Welt, dass wir einander begegnen, ob wir diesen Begegnungen nun mit Interesse und Neugier gegenüberstehen oder nicht. Und ohne andere Menschen existieren wir schlicht nicht.
Der Titel con-sens bezieht sich also auch auf die Pluralität, die von der Philosophin Hannah Arendt als das fundamentale und überwältigende Gesetz der Erde aufgefasst wird. Der grundlegende Gedanke dieser Ausstellung besteht nun darin, die fünf Sinne durch Kunstwerke gleichermaßen zu verstärken oder zu schärfen, wobei jedes Kunstwerk einen Moment der Begegnung darstellt. Darüber hinaus sollen die Arbeiten der acht teilnehmenden Künstler Teil der Stadt werden, oder besser gesagt, Teil jener Strukturen, die die Stadt als solche konstituieren (wenn wir diese als eine bewohnte Raumzeit begreifen, die einerseits aus sichtbaren Konstruktionen, andererseits aber auch aus unsichtbaren Zusammenhängen, aus Erinnerungen und Projekten besteht). Die Arbeiten sollen dementsprechend weder als autonome Objekte verstanden werden, noch in der urbanen Struktur verschwinden, sondern vielmehr an den Geschehnissen teilhaben und mit ihren Fähigkeiten, Fragen aufzuwerfen und mit Konventionen und Erwartungen zu spielen, einen eigenen Beitrag zu eben diesem urbanen Gefüge leisten. Ihre Anwesenheit und die Art dieser Anwesenheit, die von der Erfahrung der fünf Sinne und der Aktivierung des Vorhandenen bestimmt ist, soll die Besucher und die Einwohner der Stadt zur Teilnahme anregen. Ihre Rolle wird so nicht auf jene der teilnahmslosen Beobachter beschränkt sein, vielmehr werden die Arbeiten sie dazu veranlassen, anderen und auch sich selbst zuzuhören, miteinander in den Dialog zu treten, zu schmecken und zu trinken, zu riechen und zu sehen, sich in alle Richtungen und mit all ihren Sinnen durch den Ort zu bewegen, an beiden Ufern des Flusses, in den italienischen wie in den deutschen Vierteln, und dabei auch anzuhalten und innezuhalten. Auf diese Weise werden nicht nur Beziehungen zwischen den Arbeiten und Orten hergestellt sondern vielleicht auch zwischen Menschen, die einander zuvor nicht kannten oder zumindest nicht miteinander redeten. Jedem Einzelnen werden diese Beziehungen oder Verbindungen dabei eine neue Art der Reflexion über sein “Hiersein” ermöglichen, die aus Worten und Gefühlen, aus Spaziergängen und schließlich aus Diskussionen besteht, die sich über vier Dimensionen entfalten, in dem sie sich vom Gedächtnis des Körpers bis zu den urbanen Strukturen, von den Muttersprachen bis hin zum Berghorizont bewegen.
Wie aber kann es gelingen, dass Kunstwerke vor dem Maßstab der Stadt und der Landschaft in der urbanen Struktur und deren unablässiger Bewegung ganz aktiv anwesend sein können?
Kunst, sei sie nun in Werken materialisiert oder in Handlungen manifestiert, ist etwas demgegenüber wir nicht gleichgültig bleiben können. Irgendwann, irgendwo, hat jeder von uns die Erfahrung gemacht, von einem Kunstwerk zutiefst erschüttert oder berührt worden zu sein. Unser Atem verändert sich dann und vielleicht verschiebt sich auch das Schwerkraftzentrum,
welches bis zu diesem Zeitpunkt den Fixpunkt jenes Systems darstellte, mittels dessen wir die Bedeutung unserer Gesten und Worte ermessen konnten. Obschon diese innerliche Veränderung nur schwer zum Ausdruck gebracht werden kann, hat dieses Ereignis stattgefunden und vielleicht in der Folge gar einen Einfluss auf unser Verhältnis zur Umwelt und zu unseren Mitmenschen gehabt. Wenn nun dieses Ereignis außerhalb des Museums oder außerhalb der Museumswelt stattfindet, nämlich im Stadtzentrum, dann könnte seine Wirkung letztlich gesellschaftlicher Natur sein und jenseits der persönlichen Dimension der Begegnung führen. Die aktive Anwesenheit der Kunst wird an diesem Punkt der Artikulation spürbar.